Andreas Gruber verrät ein paar Mordsgeheimnisse

Andreas Gruber ist einer der profiliertesten Thriller-, Fantasy- und Horrorautoren des deutschsprachigen Raums. Wir haben ihm im Interview ein paar mörderische Geheimnisse entlockt.

Der Österreicher Andreas Gruber fühlt sich in den Genres Fantasy, Horror und Thriller gleichermaßen zu Hause. Wir haben uns getraut und ihm ein paar freche Fragen gestellt.

Du hast mal gesagt: „Schriftstellerei bedeutet für mich, dass ich interessante Figuren erfinden darf, ohne in der Psychiatrie zu landen – und böse Menschen auf originelle Weise ermorden kann, ohne im Gefängnis zu landen. Aber sonst bin ich ein netter Kerl.“ Mal Hand aufs Herz – welche Morde haben dir denn am meisten Spaß gemacht und warum?

In meinen Büchern gibt es ja viele Morde, da die Täter meist eine Blutspur durchs Land ziehen. Manche töten, weil sie einfach irre Psychopathen sind, andere, weil sie einen gewaltigen Racheplan verfolgen und sich an üblen Burschen rächen wollen. Das macht mir zwar großen Spaß, aber noch größere Freude bereitet es mir, wenn mein Ermittlerteam einen richtig abgrundtief fiesen Killer geschnappt hat und den in „Notwehr“ erledigen muss. Diese Morde spielen sich dann meist im Showdown ab – und das kann ich jetzt leider nicht spoilern.

Vielleicht ein kleines Beispiel?

Eine Szene stellvertretend für viele: Im Schluss von „Racheherbst“ bringt mein Ermittler Walter Pulaski vom Kriminaldauerdienst Leipzig einen Kampfsport erprobten Killer zur Strecke, indem er ihm eine Unkrautharke in die Brust treibt, mit den Worten: „Und das ist eine Technik aus dem Gartenbau-Center!“

Das hatte er aber wirklich verdient! Wie hat es bei dir mit dem Schreiben eigentlich angefangen?

Meinen ersten Krimi habe ich mit neun Jahren geschrieben. Auf einem Papierblock mit Bleistift. Er hieß „Moneten, Bier und heiße Bräute“. Aber nach drei Seiten waren alle Figuren tot, weil sie sich gegenseitig umgebracht haben – ich schätze, das ist eine Berufskrankheit bei mir. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, meine Geschichten zu veröffentlichen und dem Besuch vieler Schreibkurse, erschienen 1996 meine ersten Shortstorys in Magazinen. Mein erstes Buch erschien dann im Jahr 2000 und vor knapp fünf Jahren habe ich meine Bürojob an den Nagel gehängt. Seither bin ich hauptberuflich Autor, zurzeit arbeite ich an meinem 21. Buch.

Wir würden gerne mit dir auch über den Prozess des Schreibens sprechen. Wie kommst du auf deine Themen? Gibt es da manchmal private Auslöser?

Es gibt Dutzende Initialzündungen: Filmszenen, die mich inspirieren, Hörspiele, Comics, Romane, Sachbücher, TV-Dokus, Gespräche mit Freunden, Erlebtes, Beobachtetes oder Zeitungsartikel. Die Kunst ist es meines Erachtens nicht, Ideen zu haben, denn die tauchen ständig auf. Die Kunst ist es vielmehr, sich diese Ideen zu merken – denn blöderweise sind sie am nächsten Tag meist vergessen. Darum schreibe ich mir sämtliche Ideensplitter auf. Und dann ist es die Kunst, aus all diesen Ideen diejenigen herauszufiltern, die sich lohnen erzählt zu werden, und diese auf möglichst originelle Weise zu etwas Neuem zu verknüpfen.

Magst du uns ein Beispiel geben?

Beispielsweise hatte ich die Idee, dass ein Killer in Wien ein Katz-und-Maus-Spiel mit einer Psychologin spielt, indem er Morde nach den Motiven des Bilderbuchs „Der Struwwelpeter“ begeht. Und zwar deshalb, weil mich dieses Buch in meiner Kindheit sehr schockiert hat. Zur gleichen Zeit ermittelt ein kiffender niederländischer Profiler in Deutschland an ähnlichen Morden. Und zwar deshalb, weil ich die Niederländer so liebe und die Stimme von Rudi Carrell so mochte. Aus diesen beiden Handlungssträngen ist dann mein erster Maarten S. Sneijder Thriller „Todesfrist“ entstanden.

Arbeitest du immer an einem Buch – oder springst du auch mal von Projekt zu Projekt?

Grundsätzlich arbeite ich immer an einem Projekt, weil ich mich 100-prozentig auf ein Buch konzentrieren möchte. Aber während ein fast fertiger Roman bereits bei meiner Lektorin im Verlag korrigiert wird, arbeite ich schon am Handlungsentwurf des nächsten Buches, schließe die Recherchen ab und beginne den Anfang zu schreiben. Es kommt also immer zu Überschneidungen von etwa zwei bis drei Monaten, in denen ich an zwei Projekten gleichzeitig arbeite. Und das ist auch gut so, weil ich so Abstand zum aktuellen Buch gewinne, und ihm – von Scheuklappen befreit – den letzten Feinschliff verpassen kann.

Ein wichtiger Teil des Prozesses ist die Recherche, nehme ich an. Wie gehst du dabei vor? Oder ist es bei jedem Buch anders?

Genau, das kommt aufs Buch drauf an. Ich versuche in jedem Roman ein anderes Grundthema zu bearbeiten. In „Herzgrab“ waren es Gemälde aus Blut, in „Racheherbst“ Phosphor-Tattoos, in „Todesreigen“ Drogengeschäfte, in „Rachewinter“ Transgender-OPs, in „Code Genesis“ Pharmakonzerne. Ich versuche die Themen zu variieren, damit die Leser nie das Gefühl bekommen „Ach Mensch, schon wieder ein Serienkiller, der Frauen entführt, wie originell!“ Ich möchte meine Leser überraschen. Dazu sind stets neue Recherchen notwendig. Da versuche ich, Fachpersonal zu erreichen, mit dem ich mich unterhalten darf. Dabei entstehen die besten Ideen, auf die ich allein nie gekommen wäre. Die Danksagungen meiner Bücher sind voll mit Namen von Personen, die mir geholfen haben.

Du schreibst wenig jugendfreie Horrorthriller ebenso wie Jugendromane. Das ist ja jeweils ein sehr unterschiedliches Publikum. Wie stellst du dich darauf ein?

Stilistisch ist da absolut kein Unterschied, ob ich Horror-Kurzgeschichten schreibe wie in „Der fünfte Erzengel“, einen harten Thriller wie „Herzgrab“ oder ein Jugend-Abenteuerbuch für 12- bis 14-Jährige wie „Code Genesis“. Ich verfalle da jetzt nicht extra in eine super-kindliche Sprache. Aber inhaltlich ist es natürlich anders. Die Figuren sind zwar genauso schräg und fies und skurril, die Dialoge genauso zackig, die Themen genauso spannend – aber die Bücher sind nicht so brutal und gewalttätig, die Themen sind jugendgerechter und der Humor spielt eine größere Rolle. Trotz aller Spannung sollen die Jugendlichen ja auch mal befreit auflachen dürfen, wenn Frettchen Charlie das Bein hebt und wo hinpinkelt. Das würde in einem Sneijder-Roman nie passieren.

Du hast dich selbst einmal als Unterhaltungsschriftsteller beschrieben. Was bedeutet das für dich?

Ich will meine Leser nicht mit hochgeistigen, experimentellen Texten oder intellektueller Sprachakrobatik beeindrucken. Ich möchte interessante schräge Charaktere erschaffen, die in Erinnerung bleiben, spannende Geschichten erzählen, originelle Locations verwenden, in einem zügigen Tempo erzählen aber trotzdem viel bildhafte Atmosphäre beim Leser erzeugen. Es ist verdammt schwer, dass das alles gut gelingt. Und dabei soll sich alles natürlich so flüssig lesen, als hätte es der Autor völlig locker runtergeschrieben. Tatsächlich steckt da aber viel Gehirnschmalz und Überarbeitung drin. Tja, warum mache ich das? Ich möchte die Leser mit Geschichten begeistern, damit sie die Probleme des Alltags mal für einen kurzen Moment vergessen können. Das ist mein Dankeschön, das ich zurückgebe für all die Bücher, dich ich selbst gelesen habe und die mich begeistert haben.

Was bedeuten dir die Umsetzungen deiner Romane in Hörbücher und wie involviert bist du dabei?

Für meinen nächsten Sneijder Thriller „Todesmal“, der im August 2019 erscheint, hat mir ein befreundeter blinder Mensch bei den Recherchen geholfen. Und der hört natürlich Hörbücher. Ich selbst höre auch Hörbücher und Hörspiele bei meinen Walkingrunden durch den Wald oder im Zug oder beim Autofahren. Es ist mir also total wichtig, dass es meine Bücher und Kurzgeschichtenbände auch als Hörbuch gibt, beziehungsweise „Herzgrab“ sogar als Hörspiel – weil andere nicht die Möglichkeit oder die Zeit zum Lesen haben. Für „Der fünfte Erzengel“ durfte ich die kurzen Einleitungen und autobiografischen Vorwörter der Kurzgeschichten selbst im Studio einsprechen. Ansonsten bin ich in die Produktion nicht involviert, das überlasse ich vertrauensvoll den Profis. Aber weil ich von den Fans so oft zu hören bekommen, das Achim Buch meine Romane so toll spricht und vor allem den niederländischen Akzent Sneijders so genial umsetzt, habe ich das immer dem Verlag weitergeleitet. Ja, und seit vielen Jahren ist er nun der fixe Sprecher meiner Hörbücher. Und es freut mich total, dass er gemeinsam mit Jodie Ahlborn „Code Genesis“ eingesprochen und dabei den männlichen Erzählpart übernommen hat. Übrigens liebe ich auch Jodie Ahlborns Stimme – sie ist die perfekte Wahl für meine 14-jährige Heldin Terry West.

Von: Meike Stolp
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