Die Wiener Journalistin Sarah Pauli ist es gewöhnt, Interviews zu führen. Doch selbst eines zu geben ist ungewöhnlich für sie.
Dem österreichischen Krimiautor Andreas Gruber stand sie jedoch Rede und Antwort. Knallharte Fragen, wie man es sonst nur von investigativen Journalisten gewohnt ist, warteten auf die sympathische Wienerin mit neapolitanischen Wurzeln.
Gemeinsam sitzen sie in Sarah Paulis Büro im Wiener Boten. Zwei Tassen Kaffee und leise Musik von Pino Daniele. Sarah Pauli trägt Jeans und T-Shirt, an ihren Ohren baumeln rote cornicelli und an der Halskette ein ebenso rotes Corno.
Andreas Gruber: Was ist das für Schmuck? Sieht aus wie ... ähm … Chili.
Sarah Pauli (lacht): Das sagt der Chef vom Dienst vom Wiener Boten auch immer. (sie greift an ihre Halskette, hält das Schmuckstück Andreas Gruber direkt vors Gesicht). Das nennt man Corno, auf Deutsch: Horn. Es hilft gegen den Bösen Blick.
Andreas Gruber: Der Böse Blick?
Sarah Pauli: Ein Schadenszauber.
Andreas Gruber: Schadenzauber?
Sarah Pauli: Schwarze Magie.
Andreas Gruber: Und das im 21. Jahrhundert. Aha! Esoterik soll ja ganz modern sein.
Sarah Pauli: Ich beschäftige mich mit dem Hintergrund und der Entstehungs- und Verbreitungsgeschichte des Aberglaubens. Ich zünde keine Engelskerzen an.
Andreas Gruber: Sind Sie abergläubisch?
Sarah Pauli: Nicht mehr und weniger, als andere Menschen. Meine Großmutter war Neapolitanerin, dort ist der Aberglaube ein Teil des Alltags. Aus dem Grund weiß ich viel über dessen Ursprung und die Bedeutung. Ich gebe aber mein 13. Monatsgehalt nicht zurück.
Andreas Gruber: Sie schreiben in Ihrer Kolumne darüber. Warum?
Sarah Pauli: Weil das ein sehr spannendes Thema ist und viel mit unserer Historie zu tun hat. Das Wort Aberglaube gibt es erst seit dem 15. Jahrhundert und auch nur in christlich orientierten Regionen.
Andreas Gruber: Sie besitzen eine schwarze Katze?
Sarah Pauli: Da haben Sie so ein Beispiel. In unseren Breiten galten schwarze Katzen lange als Unglücksboten und in England sind sie zum Beispiel Glückskatzen. Sind Sie abergläubisch?
Andreas Gruber: Ähm. Nein.
Sarah Pauli (runzelt die Stirn): Und doch klopfen Sie auf Holz, wünschen toi toi toi, stoßen mit einem Glas mit Ihrem Gegenüber an und, so hoffe ich, tragen rote Unterwäsche zu Silvester. Also sagen Sie bitte nicht, dass Sie nicht abergläubisch sind.
Andreas Gruber: Rote Unterwäsche?
Sarah Pauli: Lesen Sie Beate Maxians Bücher, die schreibt über mein Leben.
Andreas Gruber (notiert auf einem Blatt: rote Unterwäsche): Gut, also Ihr Leben. Sie mischen sich ja immer wieder in Kriminalfälle ein.
Sarah Pauli: Was heißt, ich misch mich ein? Die Fälle kommen zu mir.
Andreas Gruber: Von Chefinspektor Stein weiß ich, dass Sie ihm manchmal ziemlich auf die Nerven gehen.
Sarah Pauli: Chefinspektor Martin Stein weiß meine Hilfe inzwischen sehr zu schätzen. Mein Blick auf einen Mordfall ist … ich will jetzt nicht unfreundlich sein … offener, breitflächiger, einfach aus einem anderen Blickwinkel. Martin Stein kann manchmal ganz schön engstirnig sein. Und in Wahrheit tut er nur so, als ginge ich ihm auf die Nerven. Er passt auf mich auf. Immerhin ist meine Kollegin Hilde Jahn, eine langjährige gute Bekannte von Stein, ermordet worden, als sie einen Informanten traf. Sie war Enthüllungsjournalistin.
Andreas Gruber: Hilde Jahn war auch die Geliebte von David Gruber, dem Herausgebers des Wiener Boten – was übrigens nur eine zufällige Namensgleichheit ist. Der ja nun Ihr Lebensgefährte ist.
Sarah Pauli (stirnrunzelnd): Was wollen Sie damit andeuten?
Andreas Gruber: Dass Sie nicht nur beruflich Hilde Jahns Nachfolgerin geworden sind.
Sarah Pauli: Das ist jetzt zwar eine sehr privat Frage, Herr Gruber - aber gut. Wo die Liebe eben hinfällt, sagt man nicht so? Das Leben treibt einen manchmal in eine Richtung, die man nicht vorhersehen kann. Ich wusste weder, dass Hilde Jahn und David Gruber ein Paar waren, als ich ihr zugearbeitet habe. Noch konnte ich ahnen, dass David und ich uns ineinander verlieben nach ihrer Ermordung. Auch habe ich mich lange dagegen gewehrt, ihre Nachfolgerin zu werden. Privat und beruflich.
Andreas Gruber: Es heißt, Sie beißen sich wie ein Terrier in einen Fall fest, wenn Sie sich einmal für einen Kriminalfall interessieren.
Sarah Pauli (lacht): Wer sagt das?
Andreas Gruber (lächelt charmant): Ich hab mich informiert.
Sarah Pauli: Ich dachte, Sie sind Krimiautor.
Andreas Gruber: Auch Krimiautoren recherchieren.
Sarah Pauli: Ich nehme das mit dem Terrier jetzt einmal als Kompliment. Ich liebe nämlich Hunde. Und ja, wenn ich mich für einen Fall interessiere, dann gebe ich nicht so schnell auf und ich akzeptiere auch keine Lösungen, die mir unlogisch erscheinen.
Andreas Gruber: Sind Verbrechen logisch?
Sarah Pauli: In meinem Universum: Ja
Andreas Gruber: Weil Sie vorhin Krimiautor sagten. Wie sind Sie eigentlich in Beate Maxians Kopf gekommen?
Sarah Pauli: Irgendjemand musste doch ihr ganzes Wissen zum Thema Aberglauben unter die Leute bringen. Da ich Journalistin bin, war es eine logische Konsequenz, dass ich das bin.
Andreas Gruber: Das klingt, als hätten Sie sich irgendwo in einem Kaffeehaus kennengelernt, ein wenig geplaudert und dann hätte Beate Maxian über Sie geschrieben. In Wahrheit erfinden wir Krimiautoren doch unsere Figuren, wir treffen sie nicht im Café.
Sarah Pauli: Sie ist auch nicht im Café auf mich getroffen, sondern in der Badewanne. Sie hat über den Romanstoff nachgedacht und darüber, keine Inspektorin oder einen Inspektor losschicken zu wollen … das war meine Stunde!
Andreas Gruber: Es gibt Kollegen, die sagen, Sie seien die Hexe des Wiener Boten. Hat sie Sie in diese Rolle gedrängt?
Sarah Pauli: Auch diese Bezeichnung nehme ich gerne als Kompliment an, bedeutet Hexe doch „Weise Frau“. Früher waren es oft Heilerinnen und Hebammen. Im Roman hat sich diese Rolle aufgrund meines Wissens zum Thema Aberglauben ergeben. Die Maxian hat da vorher nicht groß darüber nachgedacht. Unter uns: Sie ist manchmal eine chaotische Denkerin.
Andreas Gruber: Sie sind jetzt aber weder Heilerin noch Hebamme. Sie sind Journalistin.
Sarah Pauli: Sie wollen es aber ganz genau wissen, Herr Gruber. Also gut, dann gehen wir einen Schritt weiter. Gebildete Frauen galten im Mittelalter als vom Teufel besessen. Schreiben und lesen zu können, galt wider die Natur.
Andreas Gruber: So gesehen, wären heutzutage fast alle Frauen Hexen.
Sarah Pauli: Rote Haare galten früher auch als Zeichen. Haben Sie schon unsere Gesellschaftsreporterin gesehen, Herr Gruber? Sie hat eine kupferrote Löwenmähne.
Andreas Gruber (zieht die Augenbrauen hoch): Gibt es eine Möglichkeit sich vor Hexen zu schützen?
Sarah Pauli (lächelt spöttisch, überlegt eine Weile): Es gibt ein paar Möglichkeiten. Aber wenn Sie’s gleich ausprobieren wollen, ziehen Sie ein Kleidungsstück verkehrt herum an. Ihr Hemd oder Ihre Unterwäsche.
Andreas Gruber: Und das hilft?
Sarah Pauli: Probieren Sie es aus.
Andreas Gruber: Danke für das Interview.
Sarah Pauli: Jederzeit wieder.
Händeschütteln.
Der österreichische Autor geht nach dem Gespräch direkt zur Toilette.